Chronik

Vereinschronik aus der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum.

 

Anmerkung des Verfassers:

 Die Geschichte und die Geschicke des Vereins von Anbeginn bis heute liegen lückenlos in zumeist sehr ausführlichen Jahresberichten der jeweiligen Schriftführer vor. Die auf den folgenden Seiten berichteten Geschehnisse aus einem Jahrhundert Vereinsleben sind so ausgewählt, dass ein kleiner Einblick in die wechselvolle Geschichte des Liederhorts und die Bedeutung dieses Vereins für Hohenkammer ermöglicht wird. — Wolfgang Obermaier

Die Gründerzeit

 

Mit einem "Zirkular" fing alles an.

In einer von Patriotismus geprägten Zeit fühlte sich Lehrer Stautner dazu berufen, in Hohenkammer einen Gesangverein zu gründen. Zu diesem Zwecke verfasste er ein Zirkular, das sich mit freundlichen und werbenden Worten an sangeserprobte Männer und Honoratioren der Gemeinde wandte.

 

Durch ihre Unterschrift auf dem Zirkular erklärten sich 19 Männer bereit, das Ansinnen des Lehrers tatkräftig zu unterstützen. Zur Gründungsversammlung fanden sie sich am 1. Dezember 1901 im "Gasthof zur Post" abends um 19.00 Uhr ein. Von den Anwesenden traten an diesem Abend 12 Personen als aktive und 6 Personen als passive Mitglieder dem soeben aus der Taufe gehobenen Vereine bei.

 

Bezeichnend für die Gesinnung der "Gründerväter" war, dass sie dem Verein den Namen Liederhort "Fidelitas" gaben: "Hort" bedeutet verborgener Schatz und im übertragenen Sinn soviel wie fester Halt und Schutz, das lateinische Wort "Fidelitas" steht zudem für die Tugenden der Treue und der Zuverlässigkeit.

 

Die Männer der ersten Stunde waren der Schlossgutsverwalter Georg v. Üxküll (Vorstand), der Lehrer Franz Josef Stautner (Chormeister und Schriftführer), der Kgl. Straßenwärter Michael Häusler (Kassier), der Apotheker Anton Herzinger, der Posthalter Franz Riesch, ferner Förster Hanger, Sylvester Kreitmair, Ulrich Kreitmair, Benno Seemüller, Matthias Kaiser, Anton Geisenhofer, Johann Bauer jun., Gottfried Bauer jun., Johann Zwingler, Franz Petz, Anton Hammerl, Franz Schwertfirm und der Bader Anton Hutterer.

 

Das Nebenzimmer des Gasthofes zur Post war fürderhin das Vereinslokal. Gemäß der Satzung des Vereins bestand der Zweck des Liederhorts in der Pflege des Gesanges, der Pflege der Instrumentalmusik und der geselligen Unterhaltung.

 

Die Geselligkeit kam bei den Probenabenden in Folge der intensiven „Lernstunden" wohl etwas ins Hintertreffen, denn schon am 31. Januar 1902 ersuchte die Vorstandschaft das Königliche Bezirksamt in Freising um eine ständige Verlängerung der Polizeistunde. Die Begründung für diese Eingabe entlockt auch heute noch ein Schmunzeln, steht doch zu lesen: "„Da mehrere Mitglieder des Vereins Geschäftsleute sind und daher mit den Übungen selten vor acht Uhr begonnen werden kann, dieselben aber ungeheure Zeit in Anspruch nehmen, so würde Unterfertigte (= die Vorstandschaft) an das Königliche Bezirksamt Freising die ergebenste Bitte stellen, die Polizeistunde auf Nachts 2 Uhr verlängern zu wollen."

 

 

 

 

Ein großer Schwung trug den Verein durch die Gründerzeit. Die alljährlichen lustigen Faschingsunterhaltungen mit Theaterspiel und Liedvorträgen im großen Saal der „Post" wurden rasch zu einem äußerst beliebten Höhepunkt und steigerten das Ansehen des Vereins in der Gemeinde und weit darüber hinaus.

 

Schon bald entwickelte sich in Folge von vielen gegenseitigen Besuchen ein freundschaftliches Band zu den Männerchören der Nachbargemeinden von Petershausen bis Pfaffenhofen. Sehr großer Beliebtheit erfreuten sich im Sommer die Kellerfeste, Schlittenfahrten führten im Winter bis nach Weichs. Bei jeder Gelegenheit traf sich eine stattliche Zahl von aktiven und passiven Mitgliedern zu gemütlichem und fröhlichem Zusammensein.

 

Als Chormeister und Gründer Stautner schon am 1. Juni 1904 den Dirigentenstab aus der Hand geben musste, weil ihn ein königliches Dekret auf den Schulmeisterposten nach Odelzhausen bestimmt hatte, übernahm sein Nachfolger als Lehrer in Hohenkammer, Richard Herzinger, auch die musikalische Leitung des jungen Gesangvereins.

 

Er sollte 35 Jahre lang, also bis 1939, das kulturelle Leben in Hohenkammer mit seinem „Instrument", dem Liederhort Fidelitas, prägen. In ganz herausragender Art fühlte sich Richard Herzinger in all den folgenden Jahren Verein verbunden.

 

Die Beziehung Liederhort – Schlossherrschaft

 

Für die Darstellung der guten Beziehung des Liederhorts zur Schlossherrschaft mögen zwei Beispiele dienen:

 

Die Theaterspiele in der Faschingszeit sollten natürlich die Vereinskasse auffüllen. Voraussetzung dafür war freilich eine zweckmäßige Bühne. Die Herstellung der Bühne erfolgte durch Mitglied Andreas Kreitmair, Frau Baronin aber stiftete das benötigte Holz und beteiligte sich auch durch eine Geldspende an den anfallenden Kosten.

 

Mai 1909: Am Vorabend ihrer Vermählung veranstaltete der Verein für Baronesse Marie von Vequel-Westernach eine Serenade mit Fackelzug und Liedvorträgen.

 

Von der Gründung des Vereins bis in die 50er Jahre zeigten zudem die jeweiligen Gutsverwalter ein großes Interesse für den Liederhort und übernahmen zum Wohle des Vereins bereitwillig vielfältige Aufgaben.

 

Ein anderer Wind weht

 

 

Im Juni 1914 fuhren die Sangesbrüder per Equipage und Jagdwagen zum Sängerfest des Isar-Ilm-Kreises nach dem altehrwürdigen Städtchen Pfaffenhofen. Auf dem Marktplatz erschallten aus tausend deutschen Männerkehlen weihevolle patriotische Lieder. Der Schriftführer beendete seinen Eintrag über das Vereinsjahr 1914 mit folgenden Gedanken:
"„Inmitten unserer Vereinstätigkeit erscholl der furchtbare Ruf: Krieg. Russischer Despotismus, französische Revanchegelüste, englischer Neid und japanische Raubgier hatten sich schon längst gegen unser deutsches Vaterland verschworen. Dem Ruf unseres erlauchten obersten Kriegsherrn folgten auch 17 Mitglieder unseres Vereins, um sich unter Deutschlands ruhmvolle Fahnen zu scharen. Mögen alle, alle recht bald zurückkehren, gesund und unversehrt in ihre Heimat, ihre Familie, ihren Verein."

 

Ein Mitglied nach dem anderen musste dem Ruf zu den Waffen folgen, und der Liederhort schrumpfte so zusammen, dass seine Aktivitäten zum Erliegen kamen. Die Chronik zählt die Namen von 19 aktiven Sängern auf, die in den Kriegsjahren zum Heere einberufen wurden.

 

Bei einer Wiedersehensfeier am 22. Februar 1919 wurde der drei gefallenen Mitglieder gedacht und nach den harten und leidvollen Kriegsjahren der Hoffnung auf eine friedvollere Zukunft Ausdruck gegeben. Mit Rücksicht auf den immer noch bestehenden Ernst der Zeit wurde von Veranstaltungen abgesehen. Mit einem Freudenfest wurde am 4. Oktober 1919 die Rückkehr von Mitglied Gottfried Zwingler aus englischer Gefangenschaft gefeiert.
Erst 1920 war das durch den schrecklichen Weltkrieg und durch die große wirtschaftliche Not verursachte Trauma überwunden, denn nach 5 Jahren fand wieder eine Theateraufführung statt.

 

 

Ganz ohne Damen geht's nicht

 

Die Besetzung der weiblichen Rollen bei den Theateraufführungen musste auch ein ausgesprochener Männerverein dann doch den Damen überlassen. Und so sparen die Jahresberichte aus dieser Zeit nicht mit überschwänglichem Lob für die Spielkunst der mitwirkenden Damen.

 

Daher verwundert es auch nicht, dass eine Weibsperson es wagte, den erlauchten Kreis um ihre Anmut zu bereichern: Frau Theres Nitzl, die Gattin des Försters Alois Nitzl, trat 1920 als erste Frau dem Verein als ordentliches Mitglied bei. Wurde hier schon die Tür einen Spalt weit aufgetan für die erst 1960 erfolgende Umgestaltung des Vereins zu einem gemischten Chor?

 

 

Die Theaterbühne

 

Die Bühne im Saal der „Post" war offensichtlich ein Dauerbrenner, denn sie sollte natürlich vom Aufbau, von der Funktionalität und von den Kulissen her dem ständig wachsenden Niveau der Theateraufführungen entsprechen. So wurde 1920 ein völliger Umbau in Angriff genommen, bei dem die Anordnung der Bühne an der Stirnseite des Saales erfolgte. Wer hatte wohl so viel praktischen Sinn? Richtig geraten: Andreas Kreitmair mit seinen Helfern Zwingler, Held und Gschwendtner führten die umfangreichen Änderungsarbeiten aus.

 

Ordensbruder Anton Schimatscheck schuf im Jahr 1922 mit Künstlerhand neue Szenerien. „Unter seinem glücklichen Pinsel entstanden eine Alt-Tiroler-Bauernstube mit reizendem Fensterausblick, eine bürgerliche Stube und ein Wald, in dem man selbst das Rauschen zu hören vermeint" - so kommentierte der Chronist dieses offensichtlich sehr gut gelungene Werk.

 


Die goldenen 20er Jahre

 

 

In den 20er Jahren erlebte der Verein eine gute Zeit und erfuhr von Jahr zu Jahr einen ansehnlichen Zuwachs an Mitgliedern. In guter Laune vermerkte der Chormeister und Schriftführer Richard Herzinger am 10.12.1921:

 

"„Neu eingetreten sind:

 

  • •Herr Martin Oberauer, der anerkennenswerter Weise mit Opfersinn und großem Geschick die Installation der Bühnenbeleuchtung übernommen hatte und, wie wir hoffen, dies auch in Zukunft besorgt.
  • •Herr Lorenz Maier, der ein Paar schöne Grauschimmel hat, wenn den Verein gerade einmal die Lust zu einem Ausflug anwandelt.
  • •Herr Simon Mooseder, der ein gutes Vollbier machen kann, wenn er mag.
  • •Herr Heinrich Sailer, der uns frohe Botschaft und Geld bringt.
  • •Herr Richard Muggenthaler, der dankenswerter Weise sich als Theaterfriseur zur Verfügung stellt.
  • •Herr Matthias Burghardt, der uns die Wege ebnet, damit wir beim oft unsicheren Heimgange nicht auf einen Stein des Anstoßes treten.
  • •Herr Hans Spengler, der uns billige Programme drucken hilft.
  • •Herr Xaver Stempfl, der uns durch Tierbeschau vor Seuchen hütet und
  • •Herr Franz Xaver Lechner, der gerne das Freibier verbucht, wenn wir eins zu trinken bekommen."

 

Zum Ende des Jahres 1922 konnte der Verein gar einen Mitgliederstand von 37 Personen ausweisen.

 

Die Neuzugänge sind vom Chormeister Herzinger unter dem Datum des 16. Dezember 1922 wiederum in treffender Form aufgeführt worden:

 

  • •"„Herr Inspektor Matthieu, der uns bereits versprochen hat, unser Vereinslokal zu vergrößern.
  • •Herr Dipl. Ing. Mustiere, der, wenn's pressiert, unentgeltlich den Plan hierzu liefert.
  • •Herr Förster Engelhardt, der am Übungstag Pausen singt.
  • •Herr Ronde, der seinen 2ten Tenor regelmäßig beim 2ten Baß einübt.
  • •Herr Bobinger, der eine Glocke gestiftet hat, damit andere Reden halten können.
  • •Herr Gottfried Wolf, der nunmehr gottbegnadeter Familienvater ist.
  • •Herr Xaver Rottmair, der zur rechten Zeit Heißen bekommt und
  • •Herr Scheckenhofer, der noch an seinem Gesichtsvorsprung ein Andenken an die gute alte Zeit aufzuweisen hat."

 

Als größte Errungenschaft des Vereins bezeichnete Chormeister Herzinger allerdings das gute Ansehen, das sich der Verein durch das schöne Theaterspiel bei den Faschingsveranstaltungen nach außen hin erworben hat.

 

1922 erhielt der Verein seinen Wahlspruch, den Chormeister Herzinger persönlich verfasste:

 

„Fried und Einigkeit,
Stets zum Lied bereit
Und Frohsinn allezeit,
Sei uns Geleit!

 

Herzinger selbst setzte den Wahlspruch in der Chronik (Band II) auch in Wort und Ton fest, "„um diesen Wahlspruch auch jenen zu überliefern, die in der Zukunft den Verein hegen und pflegen".

 

 

1923: Die Beschaffung einer Fahne und Fahnenweihe

 

In einer von großen wirtschaftlichen Sorgen erfüllten Zeit gelang es dennoch, den Wunsch nach einer Vereinsfahne in die Tat umzusetzen. Dieses sichtbare Zeichen der Lebendigkeit des Vereins sollte nicht zuletzt auch die Treue zueinander bestärken und helfen, den Blick aufwärts und nach vorne zu richten. (Die Chronik der Fahne ist an anderer Stelle der Chronik ausführlich erwähnt)

 

Das Nebenzimmer in der „Post" reichte nicht mehr aus, um für die stattliche Sängerschar ein gemütliches Vereinslokal zu bieten. Die Chronik vermerkt, dass der zu klein gewordene Raum nicht nur die Übung des Gesangs zunehmend erschwerte, sondern dass auch das gesellige Zusammensein im engen und vom Zigarrenqualm erfüllten Raum der angewachsenen Sängerrunde immer lästiger wurde. Der Liederhort stellte daher ein Gesuch um eine Erweiterung.
Erfreut nahmen die Sänger dann am 9. September 1923 in dem vornehm und behaglich gestalteten neuen Vereinslokal wieder ihre Proben auf.
Ab 1924 galt ein strenges Rauchverbot bis zum Ende der „"Lernzeit".

 

Einzelne Mitglieder beschwerten sich jedoch heftig über die ungebührliche Verlängerung dieser „Rauchschonzeit" in Folge des Zuspätkommens mancher Sangesbrüder, weshalb die „Lernstunden" bis nach 22 Uhr dauerten.

 

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Schützengesellschaft Teutonia am 20. Juni 1926 stiftete der Verein als Ehrengabe einen schönen Pokal aus Alpacca (Neusilber).
Der glückliche Gewinner dieser Trophäe war Herr Gauschützenmeister Deichl aus Dachau.

 

 

4.12.1926: Rückblick auf 25 aktive und gute Jahre

 

 

Mit fühlbarer innerer Bewegtheit beschloss Richard Herzinger den Bericht über das Vereinsjahr 1925/26:

 

„Der Vereinsgeist hat in diesem Vierteljahrhundert feste Wurzeln gefasst und hat uns eine Fahne geschenkt, zu der wir mit Stolz und Freude aufblicken können. Stramme Vereinsdisziplin ließ keinen Makel in der Vereinsgeschichte aufkommen und förderte das stete Blühen, Wachsen und Gedeihen des Liederhorts."

 

Das Fest zum 25-jährigen Bestehen wurde mit einer eher schlichten Feier begangen. Dafür gab der Verein aber in der Faschingszeit des Jahres 1927 eine rauschende Jubiläumsvorstellung mit der Operette "„Die Winzerliesel" von Georg Mielke.

 

Am 27. Februar 1927 wurde die Nachfeier des überwältigenden Erfolgs der Jubiläumsaufführung zu einem Ehrenabend umgestaltet. Vorstand Geisenhofer zeichnete dabei Herrn Herzinger für 25-jährige vorbildliche Arbeit als Chormeister, für seine hervorragenden Verdienste um Einstudierung und Leitung der Jubiläumsoperette und schließlich noch für seine Leistung als unübertrefflicher Charakterdarsteller in der Rolle des „Vater Werner" mit einem Ehrenring aus.

 

Fräulein Maria Bauer - die „Winzerliesel" - hatte dafür den Dank sogar in Versform gekleidet:

 

„Doch einen lasst uns nicht vergessen,
Der uns so treu zur Seite stand.
Und uns und unser schwaches Können
So auszubilden wohl verstand.

 

Hab' Dank du guter Vater Werner
Für all dein Sorgen, all dein Mühn.
Stets wird ein dankbares Gedenken
Im Herzen Deiner Kinder blühn!

 

Sängerfest des Liederhortes

 

Am 27. Oktober 1929 richtete der Liederhort auf Initiative von Chormeister Herzinger zusammen mit den Gesangvereinen aus den Nachbargemeinden ein großes Sängerfest in Hohenkammer aus. Neben der Operettenaufführung vom Fasching 1927 kann dieses Sängerfest durchaus als weiterer herausragender Höhepunkt der Vereinsgeschichte der ersten 30 Jahre angesehen werden.

 

Auch der Patenverein „"Morgenstern" unter der Leitung des Musikhochschülers Franz Biebl bereicherte dieses Treffen.

 

Studienrat Lorenz aus München, Bundeschormeister des Isar-Ilm-Sängergaues und seit vielen Jahren mit der Familie Herzinger befreundet, erzählte in einer festlichen Ansprache von der Grundlegung der deutschen Männerchöre vor über 100 Jahren durch den Schweizer Nägeli und den Berliner Zelter. Lorenz würdigte die Bedeutung der Chöre mit folgenden Worten:

 

"„Wie im Mittelalter die Meistersinger die einzigen Stützen des deutschen Liedes waren, als der Ritterstand ins Vergessen sank, so müssen auch heute in unserer schweren Zeit die Gesangvereine unserem Volke Stützen werden, um den Glauben an eigene Kraft und an deutsche Kultur aufrecht zu erhalten und am Wiederaufstieg unseres Volkes beizutragen."

 

Er schloss seine Rede mit dem Aufruf:

 

"„Auch unser deutsches Lied muss beitragen, ein neues Deutschland aufzubauen!"

 


Kriegszeit und Wiederbegründung

 

 

 

 Die 30er Jahre

 

Im Jahre 1931 erfolgte wiederum eine Erweiterung der Theaterbühne in der „Post". Gutsinspektor Münsterer leitete den Umbau, stellte auch Arbeitskräfte und das Material zur Verfügung.
Andreas Kreitmair schreinerte die Rahmen der neuen Szenerie und Lehrer Grad malte die Bauernstube. Vorstand Geisenhofer und Xaver Rottmair spendierten Holz und Kohlen zur Beheizung des Saales bei den Bühnenarbeiten und den Theaterproben.

 

Die wirtschaftliche und politische Situation in den 30er Jahren spiegelt sich auch in der Geschichte des Vereins wider. Im Jahresbericht vom 12.11.1932 klingen im Rückblick auf das Jahr an mehreren Stellen düstere Andeutungen über die außerordentliche allgemeine Notlage und die Tücken der Zeit an.

 

1933 wurde der Jahresbeitrag der Not der Zeit entsprechend auf 1 Mark ferner fasste die Vorstandschaft den Beschluss, auf die Einforderung von Beitragsrückständen zu verzichten.

 

Welche Erwartungen und Hoffnungen viele Menschen nach so vielen unsicheren Jahren in die neue politische Führung richteten, lässt sich aus dem Schlusswort entnehmen, das der Schriftführer, Lehrer Oskar Döbl, seinem Jahresbericht vom 18.11.1933 anfügte:

 

„Von Not und Unglück seit dem Jahre 1918 erzählt auch diese Chronik Verschiedenes. Am 30. Januar trat eine Wendung ein. Adolf Hitler, der Unbekannte und so oft Geschmähte, wurde vom greisen Reichspräsidenten berufen, die Geschicke Deutschlands zu leiten. 9 Monate sind seither verflossen, das deutsche Volk atmet wieder auf. Er wird uns wieder geben ein Vaterland in Einigkeit und Recht und Freiheit."

 

Bei der Generalversammlung am 17.11.1934 sprach der Stützpunktleiter der NSDAP über das Führerprinzip im Vereinsleben.

 

Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die politische Macht auch viele Mitglieder des Liederhortes in ihren Bann zog und diese durch ihre vielfältigen Aktivitäten sehr vereinnahmte. Wegen dieser Situation kam es beinahe zu einer Spaltung des Vereins. Jedenfalls führte diese ungemein schwere Belastung zum Rücktritt des Vorstandes und zu einer Austrittswelle unter den Mitgliedern. Der von der politischen Führung gesteuerte Zeitgeist hatte also auch den Verein erfasst.

 

Der Schriftführer Oskar Döbl versuchte in seinem Bericht über das Jahr 1935 eine Erklärung zu geben:
„Hinter den großen Aufgaben, die die Nation in unserer großen Zeit zu erfüllen hat, muss eben das persönliche, das eigene Ich, zurücktreten."

 

Und unter Punkt 4 dieses Jahresberichtes steht:
„Am 16. März 1935 gab der Führer und Kanzler dem deutschen Volk seine Wehrfreiheit wieder. Neben dem herrlichen deutschen Volkslied kam nun auch wieder das echte, kernige Soldatenlied bei den verschiedenen Proben zu seinem Rechte, begeistert gesungen von Alten und Jungen."
Im Jahresbericht für 1938 vermerkte Richard Herzinger mit deutlicher Resignation:

 

„Nun ist seit der letzten GV ein Jahr vergangen. Die in dieser beschlossene monatliche Versammlung konnte nicht durchgeführt werden. Wiederholt wollte der Vereinsführer den Verein zusammenrufen, aber immer traten andere Veranstaltungen hindernd dagegen. Es ist unser Stillstand nicht auf eine Gleichgültigkeit der Führung oder auch der Mitglieder zurückzuführen. Viele Mitglieder sind durch die Parteiorganisationen so sehr in Anspruch genommen, dass selten Gelegenheit geboten gewesen wäre, den Verein mit Erfolg zusammen zu bringen. Ganz soll und darf indes die Pflege des deutschen Liedes in unserm Heimatort nicht aufhören. Vielleicht lässt sich im kommenden Jahr ein Weg des Ausgleichs finden."

 

Das Vereinsleben kam schließlich 1939 im Laufe des Jahres völlig zum Erliegen.
Die Wiederbegründung des Vereins

 

Der Schriftführer Willi Herud schlägt mit seinem Eintrag in die Chronik vom 26. März 1949 eine Brücke von 1939 bis 1948 und beginnt ein neues Kapitel der Vereinsgeschichte.

 

Er berichtet in dieser Reflexion, dass die Aktivität des Liederhortes schon in den Jahren vor Beginn des Krieges in zunehmendem Maße zum Erlahmen kam, weil sich die politischen Ereignisse in den Vordergrund drängten und gerade in den kleinen Ortschaften die Vereinsmitglieder gewollt oder ungewollt durch die Partei und die Parteiorganisationen laufend so in Anspruch genommen wurden, dass einfach keine Zeit mehr übrig blieb, sich auch noch dem Gesangverein zu widmen.

 

Von den 32 Mitgliedern des Liederhortes, die der Verein im Jahr 1938 zählte, gehörten 23 der Partei an, weshalb der Liederhort in der damaligen Zeit zu einem Schattendasein verurteilt war. Der im Herbst 1939 beginnende Krieg erzwang schließlich die völlige Einstellung der Vereinstätigkeit.

 

Nach dem Ende des mörderischen Krieges begann mit „Feindbesetzung, Zusammenbruch der Wirtschaft, Flüchtlingselend, Verfolgungen und Maßregelungen ehemaliger Parteigenossen eine neue Notzeit. Unter diesen Umständen war an eine Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit nicht zu denken. Erst als gegen Ende des Jahres 1948 gewisse Erleichterungen spürbar wurden (Währungsreform, Beendigung der Entnazifizierungsverfahren), konnte dem Gedanken näher getreten werden".

 

1949 wurde der alte Verein, der offiziell nie aufgehört hatte zu existieren, wieder ins Leben gerufen.

 

Die Initiative dazu ging von den Herren Martin Oberauer und Johann Bauer senior aus. Vorstand Xaver Stempfl versicherte sich der Mitwirkung der beiden Hauptlehrer Anton Stempfl und Willi Herud als Chormeister und Schriftführer. Auch Gutsinspektor Karl Dengler wirkte bei dieser „Wiederbelebung" mit schwungvoller Tatkraft mit.

 

1. Gesangsabend am 22. 1. 1949

 

Die Werbung für aktive Mitglieder auch unter den in der Gemeinde ansässigen Flüchtlingen und Ausgewiesenen hatte guten Erfolg, denn an diesem ersten Abend konnten 24 neue Mitglieder aufgenommen werden. Die verbliebenen alten Mitglieder waren ebenfalls vollzählig erschienen. Die Namen der alten und neuen Mitglieder sind in der Chronik aufgelistet:

 

Alte Mitglieder: Bachmeier Bartl, Bauer Johann sen., Bauer Johann jun., Burghardt Matthäus, Goder Ludwig sen., Gschwendtner Ignaz, Gschwendtner Josef, Hammerl August, Held Josef, Kastner Johann, Kreitmeier Andreas, Kreitmeier Benno, Neumeier Josef, Oberauer Martin, Seemüller Sylvester, Zwingler Anton, Stempfl Xaver.

 

Neue Mitglieder ab 1949: Lechner Franz, Einertshofer Richard, Stampfl August sen. und jun., Meier Sepp, Fiedler Walter, Goder Ludwig jun., Rosner Leonhard, Steiner Hans, Dr. Klupak Franz, Michels Fritz, Neumeier Josef jun., Fux Otto, Schimpf Anton, Bauer Josef, Palla Hans, Samek Erwin, Drahtmüller Lorenz, Hantsch Ludwig, Paul Walter, Rottenkolber Michael, Butt Alfons, Weiß Sepp, Lang Sepp.

 

 

Kellerfest am 17. Juni 1949

 

Zum ersten Kellerfest des Vereins nach dem Kriege fanden sich nahezu 400 Erwachsene und beinahe 200 Kinder am Festplatz im Schlossgarten ein.

 

 

Die 50er und 60er Jahre

 

 

Die 50er Jahre – ein Auf und ein Nieder

 

Am 6. Januar 1950 zählte der Verein Mitglieder, davon 51 aktive Sänger!

 

1950 trat der Liederhort wieder mit großartigen Operettenaufführungen an die Öffentlichkeit. An vier Abenden wurde die Operette „Wie die Alten sungen ..." von P. J. Dietrich gespielt. Dabei betrug die Zahl der Mitwirkenden vom Orchester bis zu den Platzanweiserinnen (Frau Goder mit Tochter Centa) 56 Personen.

 

Die Bühne wurde für diese aufwändige Operette völlig umgebaut. Alle Arbeiten wurden von den Sangesbrüdern in Gemeinschaftsarbeit erbracht. Der Bühnenbau lag in den Händen der Herren Josef Held, Gschwendtner sen. und jun., L. Drahtmüller und Xaver Stempfl, Herr Pichler führte die Malerarbeiten aus, Herr Herud malte für den Hintergrund eine Gebirgslandschaft und Herr Martin Oberauer führte die umfangreichen Installationsarbeiten für Bühne und Orchesterraum aus.

 

Die vierte Aufführung am 18. Mai 1950 wurde dem am 5. Mai 1950 verstorbenen Sangesbruder Herud gewidmet, der sich um das Zustandekommen der Operette überaus große Verdienste erworben hatte.

 

Der aus Oberschlesien stammende Hauptlehrer Willi Herud war 1947 auf eine Lehrerstelle in Hohenkammer berufen worden. Er gehörte zu denen, die sich mit ihrer ganzen Kraft am Neuaufbau des Vereins beteiligten. Seine Person erfuhr deshalb eine besondere Würdigung durch einen Nachruf in der Chronik.

 

 

1951: 50 Jahre Liederhort Fidelitas

 

Überschattet war das Jubiläumsjahr vom völlig unerwarteten Tod des Chormeisters Hauptlehrer Anton Stempfl am 28. Januar 1951. Herr Stempfl war seit 1947 Schulleiter in Hohenkammer und einer der eifrigsten Förderer des Liederhortes.

 

Mit der Operette „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren" von Fred Raymond feierte der Verein an Ostern 1951 das Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens. Insgesamt 68 Proben waren notwendig, um die Operette aufführungsreif zu gestalten.

 

Dazu wurde zeitweise in drei nebeneinander laufenden Reihen geprobt: die Sprechtexte unter Kurt Wernik, einem Schauspieler aus Königsberg, die Lieder und Chöre unter Frau Frieda Smuda und das Orchester unter der Leitung von Walter Paul. Da der Verein nur über ein altes, den Anforderungen in keiner Weise entsprechendes Klavier verfügte, wurden die ersten Proben bei Benno Kreitmeier abgehalten, der sein vorzügliches Klavier und den Raum zur Verfügung stellte. Der Premiere am 1. Osterfeiertag vor ausverkauftem Haus war ein sensationeller Erfolg beschieden. Bei drei weiteren Aufführungen war der Andrang des Publikums so groß, dass teilweise sechs Omnibusse vor dem Gasthof „Zur Post" parkten.

 

Die glanzvollen Vorstellungen fanden auch in der Presse ein großartiges Echo. Darin erfuhren die exzellenten gesanglichen Darbietungen und das hohe Niveau der schauspielerischen Fähigkeiten der Akteure und die organisatorischen Leistungen eine überaus anerkennende Würdigung.

Die Reihe der Veranstaltungen, die der Erinnerung der Gründung vor 50 Jahren gewidmet waren, wurde mit einem großen Sängertreffen am 18. November 1951 abgeschlossen. Im Mittelpunkt der Vorträge stand das deutsche Lied. Das Vereinsorchester spielte Auszüge aus den in den letzten beiden Jahren aufgeführten Operetten, dazu noch einige berühmte Walzer von Johann Strauß und erntete dafür tosenden Applaus.

Der Schriftführer versah dieses gelungene Fest mit folgendem Kommentar:

 

„Hohenkammer zeigte damit, dass es bei der Unrast und Unruhe, der politischen Zerrissenheit unseres Volkes in einer Zeit, die die seelischen Kräfte zur Pflege der musischen Künste weithin nicht mehr aufzubringen vermag, dem alten Ideal treu bleibt, das allen deutschen Stämmen gemeinsam war und bleiben soll: dem Deutschen Lied!"

 

Es ist verständlich, dass der Verein nach den gewaltigen Anstrengungen des Jubiläumsjahres eine Erholungsphase benötigte. Der stark nachlassende Probenbesuch war das unübersehbare Zeichen der Erschöpfung. Nach dem außergewöhnlichen Hoch in den Jahren 1949 bis 1951 folgte nun doch ein deutliches Tief. Sogar einige Einladungen zu auswärtigen Sängertreffen mussten negativ beschieden werden.

 

Zu Beginn des Jahres 1953 gab der Verein eine Heimkehrerfeier für Anton Seemüller, der aus 10-jähriger russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war.

 

Der Schriftführer Dr. Hans Geiger bezeichnete das Jahr 1954 als das unaktivste seit Bestehen des Vereins. Wenngleich es aber in dieser Zeit nicht mehr zu großen Auftritten reichte, so nahmen die gute Stimmung im Verein und die Geselligkeit dadurch keinen Schaden. Und schon Ostern 1955 trat der Verein mit dem Lustspiel „Heiratsnärrisch's Volk" zum Vergnügen des Publikums wieder auf die Bühne.

 

Von der Sorge um den Weiterbestand des Vereins geleitet, warf Sangesbruder und Fähnrich Lorenz Drahtmüller die Frage auf, ob nicht eine Umwandlung des Männerchores in einen gemischten Chor erfolgen sollte, damit der Liederhort eine bessere Zukunftsperspektive habe. Bei der GV am 6. 1. 1959 stellte er hierzu einen Antrag, der eine hitzige Diskussion auslöste. 16 Damen wurden als Minimum für diesen Schritt angesehen. Wo aber sollten diese aufgetrieben werden? - wie der Schriftführer, Herr Wasmeier, in seinem Bericht so trefflich formulierte. In geheimer Abstimmung wurde der Antrag von L. Drahtmüller schließlich mit 23 gegen 6 Stimmen zurückgewiesen.

 

In den Berichten über die letzten Jahre des 6. Jahrzehnts wurde immer wieder die Klage über den geringen Probenbesuch angestimmt. Der Verein war teilweise wegen zu geringer Beteiligung nicht mehr in der Lage, bei Sängertreffen in Nachbargemeinden Liedvorträge beizusteuern.

 

Mit großer Sorge sahen daher 1. Vorstand Matthias Burghardt und Chormeister Konrad Geisenhofer dem Jahr 1961 entgegen, denn beide vertraten die Meinung, dass der Verein unter den augenblicklichen Umständen nicht in der Lage sei, das 60. Gründungsfest gesanglich gestalten zu können. Und schon stand der Vorschlag von L. Drahtmüller wieder im Mittelpunkt einer lebhaften Debatte. Nach längerem Abwägen wurde der Beschluss gefasst, sangeskundige Damen zu bitten, sich an der Bildung des gemischten Chores zu beteiligen.

 

Am Unsinnigen Donnerstag 1961 fanden sich 13 Damen zur ersten gemeinsamen Zusammenkunft ein. Zahlreiche, eifrigst besuchte Proben ließen dann das Jubiläumsfest am 7. Mai 1961 doch noch zu einem schönen Erfolg werden.Trotz der Umwandlung in einen gemischten Chor erlebte der Verein jedoch zunächst wider alle Erwartungen ein Wechselbad der Gefühle und befand sich Anfang der 60er Jahre wieder in einer Talsohle.

 

1965 wurde Herr Hauptlehrer Otto Zoth mit dem Amt des Vorstands betraut. 1967 übernahm Herr Franz Weber die Leitung des Chores. Diesem Führungsduo gelang es, die Jugend der Gemeinde für die Chormusik zu begeistern. Chormeister Weber setzte seine Schwerpunkte auf die Pflege der Tradition, die Einstudierung klassischer und geistlicher Sätze, aber auch auf die Erschließung zeitgenössischer Chorliteratur für die deutlich jünger gewordene alte Dame „Fidelitas". Von seinen Ideen und seinem Schwung angeregt, entwickelte sich der Liederhort in den folgenden Jahren stürmisch und erlebte wieder eine echte Blütezeit mit zahlreichen glanzvollen öffentlichen Auftritten und Konzerten.